Ein Blick hinter die Weinbau-Kulisse
„Was war euer größter Erfolg?“, frage ich Markus. Ohne Überlegen sprudelt es aus ihm hervor: „Dass Gabi und ich uns kennengelernt haben und seitdem den Weinbau gemeinsam machen!“ Seit 15 Jahren schon sitzen Gabi und Markus Gruber privat und beruflich in einem Boot und bewirtschaften die Gruberschen Weingärten in Mittelberg im Kamptal. Wie gut die zwei als Team und in punkto Wein harmonieren, ist ohne viel Worte sofort spürbar. Da ist es fast kitschig, dass die beiden die Frage nach dem besten jemals getrunkenen Wein in der Sekunde mit der gleichen Antwort beantworten: Ein Rosé auf der Hochzeitsreise in Südfrankreich sei das gewesen. Ob sich Gabi damals wohl zu mehr als zwei Gläsern hinreißen hat lassen? Denn grundsätzlich sei sie gar keine wirkliche Weintrinkerin, sagt sie:
„Ich trinke relativ wenig Wein, für das was man glaubt, was eine Weinbäuerin trinken muss.“
Gabi ist eine Genusstrinkerin. Ohne genügend Zeit und das passende Ambiente hat sie keine Lust auf einen edlen Tropfen. Außerdem sei sie gar nicht so geeicht, lacht die gelernte Sozialpädagogin:
„Nach zwei Glaserl fühl ich mich schon beschwipst! Zwei Glaserl sind meine Wohlfühlgrenze.“
Den völlig unvoreingenommenen Zugang zum Wein und ihr Wissen, das sie sich nur durch jahrelanges Mitarbeiten, Zusehen und Zuhören angeeignet hat, schätzt ihr Mann ganz besonders: „Wir machen das immer wieder, dass ich vom Keller was in die Wohnung mitnehm und die Gabi kosten lass!“
„Gabi beschreibt den Wein aus ihrer Sicht mit ihren Worten und net mit irgendwelchen Floskeln, die man wo gelernt hat.“
Markus ist es wichtig, mit der Klischeevorstellung aufzuräumen, einen Weinbauer würde man bei jeder passenden Gelegenheit mit einem Glas in der Hand antreffen:
„Natürlich koste ich net jeden Tag alle unsere Weine durch, aber schon sehr bewusst in kürzeren Intervallen, um zu beobachten, wohin die Reise geht.“
Was macht einen guten Wein aus?
Als gelernter Weinbauer und Kellermeister fasst Markus die Antwort zusammen:
„Wenn der Wein mehrdimensional und nicht eintönig, fad ist“.
Vielschichtig, nuancenreich und schmeichelhaft sollte ein guter Wein sein. „Selbst wenn er knackig von der Säure her ist“, „von vorne bis hinten smart“ müsse er sein. Das Wort vollmundig nimmt der Winzer bewusst nicht in den Mund, vielmehr sollte ein Wein alle Sinne ansprechen.
Wenn Gabi das Prädikat „sehr gut“ vergibt, dann schmeckt der Wein „frisch, sauber“. Sie lacht und beteuert „schon wieder die Fachausdrücke, die mir da fehlen“, bevor sie ergänzt:
„Ich möcht da keinen Keller drin schmecken!“
Kein Beigeschmack von Arbeitsschritten soll sich einschleichen, die reine Traube müsse man wahrnehmen können.
Die Natur mit der richtigen Philosophie in Flaschen gefüllt
„Mainstream-Weine zu produzieren wäre das Letzte, was wir wollen. Das entspricht nicht unserer Philosophie, das sind auch nicht die Leute, die wir erreichen wollen.“
Ein Wein sei kein Industrieprodukt, das jedes Jahr gleich schmeckt. Unzählige Einflüsse aus der Natur würden da mitreden und dieses Verständnis versuchen Markus und Gabi Gruber ihren KundInnen am Weingut mitzugeben. Was es bedeutet, Weinbau im Kreislauf der Natur zu betreiben, können sich Gäste am zertifizierten “Green Care – Auszeithof Gruber43” aus nächster Nähe ansehen.
Markus gibt ehrlich zu, dass er mit der voreingenommenen KundInnenhaltung a là „Diese Sorte schmeckt mir nicht!“ wenig anfangen kann, weil sich der Wein jedes Jahr je nach Witterung und Bodenqualität geschmacklich in Nuancen verändert. Die beiden Winzer plädieren für Neugierde und Offenheit und wollen sich auch selbst nicht auf eine Lieblingssorte festlegen. Gabi war 2018 besonders vom hofeigenen Riesling angetan – eine Sorte, die „eigentlich eher untypisch für mich“ ist.
„Ich such mir jedes Jahr einen neuen Lieblingswein.“
Welcher Wein 2019 bei ihr besonders punkten wird, das kann sie erst in ein paar Wochen sagen, wenn der 2018er Jahrgang ausgereift und in Flaschen abgefüllt ist. Auch Markus fokussiert sich nicht auf eine spezielle Sorte. Momentan aber teilt er Gabis Vorliebe für den Riesling vom eigenen Gut: „Ich schätze die Sorte, weil sie mit stark wechselnden Bedingungen im Weingarten zurechtkommt.“ Die sehr trockenen, vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass sich der Riesling gut damit arrangieren kann.
Der Winzer, der sich nicht als Weinmacher sieht
„Das sind unzählige biologische Infos, die übers Jahr da in die Flasche einfließen, die jeder in Flaschenform nachhause mitnehmen kann.“
Markus Gruber sieht sich nicht als Weinmacher. Der edle Tropfen sei für ihn kein Produkt, das man zu sehr manipulieren und in eine Richtung lenken sollte. Sein Credo:
„Ich wende viel laissez faire im Keller an.“
Was er damit meint? Markus interveniert so wenig wie möglich: Er verwendet keine Reinzuchthefen, die bei der Gärung des Weines nichts dem Zufall überlassen. Stattdessen verlässt er sich auf die bereits in seinen Trauben befindlichen, rein natürlichen Hefen. Allerdings ist damit der Gärausgang in punkto Qualität und Stabilität nicht vorhersehbar. Wie hochwertig der Wein letztlich sein wird, kommt ganz darauf an, welche der verschiedenen Hefearten in den Trauben sich beim Gärvorgang durchsetzt. Es sind, wie so oft, die einfachen Dinge, wie konsequente Sauberkeit, beobachten, spüren, fühlen, Ruhe bewahren, die schließlich zum Erfolg führen. Seinen Bio-Wein darf Markus zudem auch vegan nennen, weil er keine Gelatine zufügt, um Gerbstoffe zu harmonisieren. Der Winzer begründet sein fehlendes Eingreifen im Reifeprozess damit, „dem Wein den Freiraum zu geben, damit er sich eigenständig entwickeln kann.“
Neben aktiv angelegten Begrünungen findet sich auf Markus’ Böden auch der ursprüngliche und für die Region typische Bewuchs. Das fördert die Biodiversität und hält die Böden fit. Damit hätten seine Trauben eine bessere Nährstoffversorgung und das wiederum wirke sich unmittelbar auf den Gehalt und die Aromabildung des Weines aus:
„Vom Gespür und von der Wahrnehmung her ist der Wein fast wie ein Baby, das jedes Jahr neu auf die Welt kommt!“
Was den Winzern sauer aufstößt
Erstaunt stelle ich im Laufe unseres Gesprächs fest, dass Gabi und Markus ihren Wein auch immer wieder gerne spritzen. Bis dato ging ich davon aus, dass man einen guten Tropfen niemals mit Wasser verdünnen sollte. Markus belehrt mich eines Besseren:
„Wenn ich einen guten Wein spritze, hab ich immer noch einen guten Wein. Wenn ich eine Baustelle verdünne, hab ich noch eine größere Baustelle.“
Dennoch gäbe es einige tatsächliche No-Go’s die es im Umgang mit Wein zu vermeiden gelte. Gabi greift ihr Weinglas am oberen Rand an und sagt: „Auch wenn die Schauspieler in den Filmen das Glas immer so in die Hand nehmen, das geht gar nicht!“
Markus fallen da gleich noch ein paar Dinge mehr ein: Einen Wein nicht richtig zu temperieren etwa. Aber richtig schlimm sei:
„Wenn man Wein nur primitiv in sich reinsauft, achtlos. Achtloses und respektloses Benehmen beim Trinken.“
Markus und Gabi entlassen mich an diesem Nachmittag mit einem Karton Gruber-Wein. „Aber nur ‚stilvoll’ damit betrinken“, witzeln sie in meine Richtung.