Wer ist Helga?
Mir gegenüber auf der Couch sitzen die drei Frauen hinter Helga. Welche von ihnen nun Helga ist? Keine. Helga steht vor mir auf dem Tisch und sieht ziemlich grün aus. Healthy Algae (= gesunde Alge) das ist Helga, die es mittlerweile in drei Ausführungen gibt: Den Algendrink, das Algenpulver und die Bio-Algencracker. Unweigerlich reißen die meisten Leute beim Erstkontakt die Augen auf: Die Einen weil ihnen geschmacklich Schlimmes wähnt und die Anderen, weil sie auf Superfood abfahren.
„Von ‘Hab ich mir schlimmer vorgestellt!’ bis zu ‘Ah, cool, Alge!’ ist alles dabei.“
Für immer mehr Menschen ist die Alge eine willkommene neue Alternative im Superfood-Bereich. Die in Helga-Produkten eingesetzte Chlorella-Alge überholt mit ihrem Chlorophyll-Gehalt nämlich so einige jener Pflanzen, die als besonders gesund für den Menschen gelten. Sie enthält mehr Chlorophyll, als die jeweils gleiche Menge der gepriesenen Green-Smoothie-Zutaten Spinat, Petersilie oder Grünkohl zusammen. Die Alge ist eine Vitamin B12-Bombe, die nervenstärkend und zellregenerierend wirkt. In dieser Konzentration kann da nicht einmal Fleisch mithalten, weshalb sie gerade auch für VegetarierInnen und VeganerInnen besonders interessant ist. Außerdem weist die Alge in Rohform einen 50%igen Eiweißgehalt auf und ist deshalb eine hochwertige Alternative zu tierischen Proteinquellen. In der traditionellen und alternativen Medizin werden Algen schon lange als Mittel zum Entgiften und Entschlacken eingesetzt, weil sie Giftstoffe besonders effizient binden.
Algen als Ernährungsform der Zukunft
Weniger bekannt ist, dass zahlreiche Studien, die sich mit der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung und den limitierten natürlichen Ressourcen auseinandersetzen, zu folgendem Schluss kommen:
„Algen sind Eckpfeiler für die zukünftige Ernährung der Weltbevölkerung.“
Der hohe Nährstoffgehalt und die geringen Anforderungen in der Produktion machen die Alge zu diesem Super-Lebensmittel der Zukunft. Im Gegensatz zu Insekten, die in diesen Studien ebenfalls häufig als mögliche zukünftige Ernährungsform genannt werden, steht die Alge am Beginn der Ernährungskette. Sie braucht kein Futter. Sie benötigt nicht einmal eine landwirtschaftliche Fläche, keinen nährstoffreichen Boden, der unter viel Energieaufwand aufbereitet werden muss. Und hier wird es nun richtig futuristisch: Die für Helga gezüchteten Algen gedeihen in Algenfarmen, wo sich meterlange, in Schleifen gebogene und mit Wasser und Algenpartikel gefüllte Glasrohre durch die Hallen winden. Sie wachsen zehnmal so schnell wie Landpflanzen und ihre Produktion erzeugt kein CO2, im Gegenteil – Algen verbrauchen CO2.
„Der ökologische Fußabdruck der Alge ist unschlagbar.“
Auf den Spuren großer ErfinderInnen
Den ökologischen Fußabdruck hatte die Chemikerin Anneliese Niederl-Schmidinger im Auge, als sie beruflich an einem alternativen Treibstoff – einem Biodiesel – forschte. Mikroalgen erschienen ihr für diese Zwecke vielversprechend, wiesen jedoch ein großes Manko auf: Ihr Nährstoff- und Proteinreichtum störte die Verbrennung. Es standen also genau jene Inhaltsstoffe im Weg, die für die menschliche Ernährung eine essentielle Rolle spielen. Anneliese und ihre Arbeitskollegin, Wirtschaftsingenieurin Renate Steger, waren angetan von den Möglichkeiten, die die Chlorella-Alge für die Ernährung bieten würde. Ihr Arbeitgeber fand die Idee, sein Portfolio auch in Richtung alternative Ernährung zu erweitern, weniger spannend. Und so begannen die beiden 2014 auf eigene Faust zu recherchieren, wie und in welcher Form man Algen im Ernährungsbereich einsetzen konnte. Anneliese stellte erstaunt fest, dass die Alge als Lebensmittel bis dato schlichtweg in keiner Form existierte.
„Das Wissen über diesen neuen Rohstoff ist nicht da, wir machen Pionierarbeit“.
Renates Freundin Ute Petritsch, Architektin und Designerin, rief den beiden unermüdlich von außen zu, dass sie die Entwicklung eines Algen-Getränks spannend fände. Ute hatte nach einer Entfernung all ihrer Amalgam-Plomben bereits Bekanntschaft mit Chlorella-Algen gemacht: Zum Ableiten der Giftstoffe aus dem Körper wurden ihr Chlorella-Tabletten verabreicht. Schon damals bedauerte sie, dass die Menschen das Superfood Alge in so unattraktiver Form einnehmen und nicht als Lebensmittel in ihr tägliches Leben einbauen würden.
Die Idee mit dem Algengetränk musste von Anneliese gut ausgetüftelt werden, ehe sie tatsächlich mit der Produktion der Prototypen startete. Renate schrieb den passenden Businessplan und Ute entwarf Design und Logo. Die Frischzellenkur aus der dunkelgrünen Helga-Flasche war geboren. Und schon bald gesellte sich auch Chlorella-Algenpulver dazu, weil das Trio seine KundInnen auch zum Selber-Experimentieren mit dem Rohstoff anregen möchte. Im Sortiment finden sich nun auch Bio-Algencracker als nährstoffreiche und kalorienarme Knabberalternative, deren Geschmacksrichtungen laufend erweitert werden.
Mit Helga experimentieren
Die Chlorella-Alge hat fixen Einzug in die Küchen von Anneliese, Renate und Ute gehalten. Privat tüfteln sie an neuen Rezepten und Produkten, die sie dann bei Besprechungen mit KollegInnen einem ersten Test unterziehen:
„Wir bringen was mit und dann steht es eine Woche herum und dann weiß man, dass es nix ist. Oder umgekehrt, bei den Crackern konnten wir gar nicht schnell genug schauen, waren die Teller leer.“
Das Kochen mit der Alge ist nämlich eine Herausforderung: Bei einer Überdosierung des hochkonzentrierten Pulvers drängt sich der intensive Algengeschmack zu sehr in den Vordergrund. Anneliese vergleicht das mit einem Apfel: „Jeder weiß, wie ein Apfel schmeckt und welche Konsistenz die Speise haben wird, wenn man ihn untermischt. Aber wenn ich einen Apfel trockne und zu Pulver mahle, dann weiß niemand mehr, wie man mit der Dosierung umgeht.“ Die zahlreichen Hobby-KöchInnen, die zukünftig zuhause mit Algenpulver experimentieren, müssten also erst ein Gespür für den Geschmack und die richtige Menge entwickeln. Um es ihnen einfacher zu machen, entwickeln die Helga-Gründerinnen zahlreiche Rezepte mit bereits erprobten Mengenangaben des Algenpulvers.
Anneliese mischt das Algenpulver privat gerne ins Pesto oder gibt einen Teelöffel in die Salatmarinade. Renate hat entdeckt, dass eine Eierspeise sehr viel vom grünen Pulver verträgt. Wenn man so wie sie und Ute wenig bis kein Fleisch isst, bedeutet das Algenpulver eine perfekte Alternative, um an wichtige Nährstoffe zu kommen.
Das Algenpulver sorgt auch bei süßen Speisen für einen Hingucker:
„Man kann grüne Kuchen und Torten machen, aber man muss vorsichtig dosieren.“
Mit Herz und Seele im Algengeschäft
Die Innovationskraft und Begeisterung der drei Frauen für ein nachhaltiges und gesundes Leben spülte Helga schon einige Preise und Auszeichnungen an Land, einen Auftritt in der deutschen Fernsehsendung „Die Höhle des Löwen“ und einen Coverauftritt am Forbes Magazine in Österreich. Sogar in die Unterrichtsmaterialien von Schulen haben es die drei Unternehmerinnen geschafft: Ihr Start-up-Businessplan wurde auf 22 Seiten in einem Schulbuch für die österreichischen Handelsakademien (HAK) für die 5. Klasse abgedruckt. Ihre Erfolge können auch an den vielen InvestorInnen gemessen werden, die an die Idee von Helga glauben und dem Algengeschäft eine große Zukunft vorhersagen.
Trotz all der Erfolge gibt es aber oft gar nicht wirklich die Zeit, um sie auch auszukosten, wirft Ute ein:
„Es war immer so viel zu tun und wenn etwas (Anm. medial) rauskommt, ist man gedanklich schon so viel weiter.“
Pionierarbeit zu leisten ist anstrengend, darin sind sich die drei einig. Aber gleichzeitig ist es auch wahnsinnig befriedigend, eigene Ideen umzusetzen:
„Es ist interessant selbst eine Strategie zu überlegen und umzusetzen und nicht etwas zu wollen und dann gibt es jemand anderen, der sagt „Nein, keine gute Idee.“
Und dann sind da noch jede Menge Erfahrungen, die man als Gründerinnen im Vorbeigehen mitnimmt. Gute, wie schlechte, denn mit den Erfolgen gehen immer auch Misserfolge einher. Etwa wenn völlig unerwartet eine ganze Charge an Algendrinks ohne Kohlensäure ausgeliefert wird. Oder wenn kurz vor dem Launch der Algencracker das gesamte Werbematerial obsolet wird, weil man im letzten Moment draufkommt, dass Dinkel statt Buchweizen verwendet muss, weil sonst der Ausschuss zu hoch wäre und deswegen das Produkt nicht mehr glutenfrei ist.
Die Gründerinnen sind trotzdem dankbar für all die Erfahrungen. Anneliese fasst das Start-up-Dasein des Helga-Trios so zusammen:
„Das ist eine der intensivsten Schulen die man macht. Es passieren so viele Dinge an einem Tag, das ist wochenfüllend!“