Joshi-Co-Gründer Bernd über seine Vergangenheit mit Nahrungsmittelintoleranzen
Wir sitzen bei einem Capuccino, als mich Bernd einlädt, bei Joshi mitzumachen. Warum gerade er sich so für Ernährung und Gesundheit interessiert, frage ich ihn. Weil bei ihm vor einigen Jahren schwere Laktose- und Fruktoseintoleranz festgestellt wurde, antwortet er. „Das hier“ sagt er und zeigt mit dem Finger auf seinen Capuccino mit Kuhmilch, „wäre vor ein paar Jahren unmöglich für mich gewesen“. Das wahre Ausmaß seiner Leidensgeschichte offenbart sich, als er beschreibt, dass zu den Nahrungsmittelintoleranzen damals scheinbar plötzlich auch noch eine Pollenallergie und sechs bis neun mittelschwere bis schwere grippale Infekte pro Jahr hinzukamen.
Ganz so unverhofft nahmen die Dinge aber nicht ihren Lauf, wie Bernd heute weiß. Mit Kopfschütteln erinnert er sich an die Jahre zwischen 25 und 35, als er massiven Raubbau an seinem Körper betrieben hat.
„Ich hab gehackelt, gehackelt und gehackelt, wenig Ausgleichssport gemacht und mich hauptsächlich von Fastfood, Softdrinks und Kaffee ernährt.“
Chronik einer Leidensgeschichte
Essen war eine Nebensache für ihn. Ein notwendiges Übel, dem er keinen Stellenwert beimaß. Über einen langen Zeitraum hinweg bediente er sich beim Essen dessen, was einfach und schnell zu bekommen war. Irgendwann begann sich sein Körper zu rächen. Er knallte ihm nicht sofort die gesamte Rechnung vor den Latz, sondern in kleinen Schritten ließ er ihn seinen Unmut wissen. Anfangs schleichend, sodass Bernd überhaupt nicht mitbekam, was sich da anbahnte. Verdauungsprobleme wie zB Blähungen hat man schnell einmal – diese Meinung teilte er damals sicher mit einem Großteil der Bevölkerung. Wer denkt da sofort an Nahrungsmittelintoleranzen? Irgendwann spitzte sich die Lage zu und Bernd hatte das Gefühl, gar nichts mehr zu vertragen, völlig egal, zu welchem Lebensmittel er griff. Er schrieb es dem Stress und einem, in der weiteren Folge aufkommenden, Überlastungssyndrom zu. Erst nach Monaten suchte er einen Internisten auf, der ihm zu einem Laktose- und Fruktosetest riet. „Der Test hat mega ausgeschlagen“, die Laktosewerte lagen mehr als das Siebenfache über dem Normalwert.
Was im ersten Moment nach einer Erleichterung klingt – nämlich eine Diagnose zu haben – wurde sehr schnell zu einer enormen Herausforderung und Hürde im Alltag. Der Arzt überließ Bernd mit dem Ratschlag, er solle seine Ernährung umstellen, sich selbst. Im Internet informierte sich Bernd über Nahrungsmittelintoleranzen und begann, sämtliche Lebensmittel von seinem Speiseplan zu streichen. Nach und nach erkannte er, dass er auch Glutamate, also Geschmacksverstärker, nicht vertrug. Weil er nicht selbst kochte und auswärts kaum mehr wusste, zu welchen Speisen er greifen sollte, wurde nicht nur seine Menüauswahl dünner, sondern auch er selbst. Innerhalb von zwei bis drei Monaten verlor er 13 Kilogramm an Gewicht.
Von einem Homöopathen erhoffte er sich, er würde seinen Körper dazu bringen, die Alarme runterzufahren und die Nahrungsmittelintoleranzen abzumildern. Eineinhalb Jahre später und um ein paar tausend Euro leichter, gab Bernd schließlich auf. Er fand sich damit ab, dass ihn seine Unverträglichkeiten für den Rest seines Lebens begleiten würden. Er resignierte auch deshalb, weil ihm andere Dinge zunehmend noch mehr zu schaffen machten: In regelmäßig auftretenden Abständen stellten sich geschwollene Augen, Jucken in den Ohren und eine heisere Stimme ein. Allesamt starke Symptome einer Pollenallergie. Aber kein Test über sämtliche Gräser- und Baumpollen wollte ihm die Allergie bestätigen. Im Jahr 2014/15 gipfelte dann alles darin, dass Bernd sechs bis neun Mal pro Jahr an Infekten erkrankte und diese ihn zwischen ein paar Tagen und manchmal bis zu zwei Wochen lahmlegten. Als Selbstständiger nicht gerade das, was man sich erträumt.
Bernd war am Ende mit seinem Latein. Er wusste nicht mehr, was er essen sollte, hatte Pollenallergie, die laut Tests keine war und erkrankte mehrmals jährlich an grippalen Infekten. Ein Besuch beim Hausarzt und eine anschließende Gesundenuntersuchung bescheinigten ihm – wie zum Hohn – ein Blutbild, das dem eines gesunden 18-Jährigen glich.
„2015 habe ich gedacht: Ich pack’s jetzt nicht mehr.“
Leaky Gut-Syndrom
Über eine Empfehlung gelangte Bernd schließlich an eine Ärztin für Präventivmedizin, die ihm schon beim ersten Besuch ihre Vermutung mitteilte:
„Alle Ihre Infekte kommen wahrscheinlich vom Darm!“
Die Ärztin wartete die Ergebnisse der äußerst umfangreichen orthomolekularen Tests gar nicht erst ab und empfahl ihrem Patienten, bereits in der Zwischenzeit mit einer Ernährung nach seiner Blutgruppe zu beginnen. Laut ihrer Erfahrung hätten Nahrungsmittelintoleranzen nämlich unmittelbar mit der jeweiligen Blutgruppe zu tun. Zudem empfahl sie, Gluten, also alle Getreideprodukte, vorerst wegzulassen. Drei Wochen später und nach Auswertung der Laborergebnisse kam dann die Diagnose: Leaky Gut-Syndrom. Bernds Darmwände waren undicht, sein Immunsystem daher permanent damit beschäftigt, schädliche Stoffe und innere Entzündungen abzuwehren. Seiner inneren Krankheitsabwehr blieb daher keine Energie mehr, sich auch um die Krankheitserreger von außen zu kümmern. Normalerweise benötigt das Immunsystem 20% seiner Kapazitäten dafür, mit alltäglichen Einflüssen umzugehen. 80% sind als Puffer gedacht, um sich etwa vor Grippe oder Infekten wehren zu können. „Bei mir war das genau umgekehrt“ sagt Bernd, „dadurch war ich die ganze Zeit krank!“
Die Ärztin riet ihrem Patienten, genau auf sich zu hören und nur Dinge zu essen, die ihm guttun würden. Als Basis diente ihm die Ernährungstabelle seiner Blutgruppe. Völlig ohne Medikamente, sondern nur mit natürlichen Mitteln sanierten sie seinen Darm und mit Nahrungsergänzungsmitteln füllten sie die Speicher seines Immunsystems wieder auf. Die Ärztin empfahl regelmäßigen Schlaf, jeden Tag für mindestens 20 Minuten an die Sonne zu gehen, um an Vitamin D zu kommen und sie riet zu Verzicht von Zucker. Nach einer anfänglich radikalen Reduktion von Gluten und Laktose durfte Bernd seine Verbote nach den ersten drei Monaten langsam lockern. Ein halbes bis dreiviertel Jahr später waren 90% seiner Beschwerden verschwunden: Er war in dieser Zeit kein einziges Mal krank, litt nicht mehr an den Symptomen einer Pollenallergie und konnte in Maßen wieder ganz normal Obst und Gemüse essen.
„Ah schau, die tun mir ja gar nichts!“
„Ich habe bemerkt, dass ich wieder zu normalen Lebensmitteln zurückkommen kann“ freut er sich heute. Er nimmt nach wie vor Darmbakterien und zusätzliche Omega 3-Fettsäuren ein. Bei Milch und Gluten ist er weiterhin vorsichtig, streicht sie aber nicht mehr gänzlich vom Speiseplan.
Plädoyer für’s Selberkochen
Bernd kocht mittlerweile fast zwei Drittel seines täglichen Bedarfs selbst. Wenn er viel unterwegs ist oder keine Zeit zum Vorkochen hat, dann steigt sein Körper schnell auf die Bremse und rächt sich.
„Nicht selbst kochen ist mörderisch, weil du nie weißt, was du isst!“
Bernd hält sich beim Lebensmitteleinkauf an den Grundsatz „regional und saisonal“. Und er hat mit Überraschung festgestellt, dass er trotz teurerer Bio-Lebensmittel am Monatsende nicht mehr Geld für Nahrung ausgibt, als früher. Weil er nur genau das einkauft, was er und sein Körper benötigen:
„Durch das bewusstere Einkaufen brauche ich deutlich weniger Lebensmittel.“
Seine Nahrungsmittelintoleranzen sind heute so gut wie weg. Wenn Bernd ausgewogen isst, kann er tatsächlich alles essen. Auch Milchprodukte, Obst und Gemüse. Man müsse nur genau genug auf den eigenen Körper hören und lernen, was er braucht und was ihm guttut. Außerdem solle man vor dem Essen darüber nachdenken, was man isst, sagt er. Heißhunger habe er mittlerweile nur mehr ganz selten, weil er sich ja nichts verbiete und ihm daher nichts fehle.
Der menschliche Körper verträgt extrem viel, aber er merkt sich unsere Sünden auch. Die meisten Menschen haben verlernt, auf ihren eigenen Körper zu hören. Im Gespräch mit Freunden und Bekannten merkt Bernd immer wieder, dass viele sich nicht wohlfühlen, Nahrungsmittelintoleranzen haben, häufig krank sind oder auch schlecht schlafen. Er rät jedem: „Schau was du zu dir nimmst und wie du es verträgst!“ Wäre sein Leidensdruck vor ein paar Jahren nicht so groß gewesen, hätte auch er nichts an seiner Ernährung verändert, das gibt er offen zu. Heute hingegen freut er sich:
„Wenn rundherum die Leute krank sind – ich bin’s nicht!“