Die Liebe zum Kochen in die Wiege gelegt
Martina Wicks Oma ist omnipräsent im Projekt Kochmarie. Nur nicht so, wie man auf den ersten Blick vermuten würde: Den Namen durfte sie ihm nämlich nicht leihen, den fand Martina nicht passend genug. Dafür waren Omas Kochkünste der Grund, warum sich Martina mit 12 Jahren die Schürze umband und sie bis heute quasi nicht mehr abgelegt hat:
„Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen und sie hat immer so gut gekocht. Und wie ich größer geworden bin, hat’s nirgendwo Essen gegeben, das so gut geschmeckt hat, wie selbst gemacht.“
Das war Martina Ansporn, sich an den Herd zu stellen und für sich und ihre Lieben in ihrer Freizeit Gerichte auf die Teller zu zaubern, die ihren hohen Ansprüchen in Punkto Geschmack und Optik gerecht wurden. Eine klassische Karriere als Köchin strebte sie trotz all der Leidenschaft für das Hantieren mit Pfannen und Töpfen dennoch nicht an. Es verschlug sie in die Unternehmensberatung, wo sie mit ihrem Mann zusammen über Jahre eine Firma führte. Neben ihrer intensiven Arbeitswoche kochte sie für ihren Eigenbedarf regelmäßig Mahlzeiten zum Mitnehmen in Gläsern vor:
„Ich lebe schon seit Jahren vegan und habe selbst nie etwas Gescheites zu essen bekommen – deswegen bin ich das Einrexen (Anm. Haltbarmachen ohne Konservierungsmittel im Glas) schon gewohnt.“
Darauf wurden bald auch andere aufmerksam: Man bat Martina über einige Monate hinweg ihre veganen Bio-Gerichte in Gläsern doch auch innerhalb einer regionalen Bio-Lebensmitteleinkaufsgemeinschaft anzubieten. Denn vegane, nicht-industriell gefertigte Bio-Mahlzeiten zum Mitnehmen, in Gläsern und nicht in Plastik verpackt, das gab’s bis dahin nirgends zu kaufen.
„Ich hab gedacht, kauft eh kein Mensch aber probier ma’s halt aus!“
Mit dieser Einschätzung lag Martina ziemlich falsch: Die Nachfrage war enorm. Und so startete sie 2015 neben ihrem Mehr-als-Vollzeitjob noch ihr Projekt Kochmarie. Eineinhalb Jahre später war das Auftragsvolumen zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Unternehmensberaterin nicht mehr zu bewältigen. Martina und ihr Mann setzten sich zusammen und beschlossen „Dieses Projekt hat Zukunft!” Von da an genoss die Kochmarie Martinas alleinige Aufmerksamkeit. Die eigene Küche reichte als Produktionsstandort nun nicht mehr aus und Martina übersiedelte in eine ehemalige Lederfabrik und heutiges Business- und Veranstaltungszentrum in Linz. Ihr Standort passt zum Kochmarie-Konzept „Eine Lederfabrik wo kein Leder mehr produziert wird, also eine vegane Lederfabrik“ wie sie schmunzelnd unterstreicht.
Warum die Kochmarie auf vegane Gerichte setzt
Vor fast acht Jahren stellte Martina von einer vegetarischen auf eine vegane Ernährungsweise um. Dem Geschmack von Fleisch konnte sie schon in ihrer Kindheit nichts abgewinnen – im Gegenteil: Mit Schrecken erinnert sie sich an die regelmäßigen Einkäufe beim Fleischhauer zurück:
„Beim Fleischhauer habe ich immer eine Radl Wurst geschenkt bekommen und das war das Schlimmste für mich! Und meine Oma hat gesagt, wenn man was geschenkt bekommt, dann nimmt man das!“
Später, als Erwachsene, strich sie Schritt für Schritt zuerst Rind, dann Schwein und schließlich Huhn von ihrem Speiseplan. Die „letzte Bastion“ aufzugeben- damit meint sie Käse – fiel ihr am schwersten. Für Martina war das aber eine Frage der Konsequenz:
„Als Vegetarier setzt du viel auf Milchprodukte. Aber die Milchproduktion ist noch schlimmer als die Fleischproduktion.“
Seit sie eine zweijährige Ausbildung in einer Landwirtschaftsschule abgeschlossen hat, kann ihr in Bezug auf Tierhaltung auch niemand mehr einreden „solange alles Bio ist, ist alles super“. Eine Kuh für die Milchproduktion in Dauer-Schwangerschaft zu halten, ist für sie nicht vertretbar. Nach der intensiven Beschäftigung mit Studien, die von einem starken Milchkonsum wegen erhöhter Krebsgefahr abraten, ist Martina überzeugt, dass es für einen erwachsenen Mensch schlicht keinen Sinn macht, ein wachstumsförderndes Nahrungsmittel zu sich zu nehmen.
Durch die Umstellung auf eine gänzlich vegane Ernährung musste sich Martina noch intensiver mit Lebensmitteln und ihrer Verarbeitung auseinandersetzen.
„Oft erklären mir Fleischesser, ich ernähre mich ungesund und: „Bei vegan da wirst krank werden!“
Dass das ganz sicher nicht stimmt, lässt sich Martina einmal pro Jahr vom Arzt bestätigen. Ihre Werte (u.a. Vitamin B12 und Eisen) sind heute wesentlich besser, als zu Zeiten, wo sie noch Fleisch gegessen hat. Und nicht etwa deshalb, weil sie dieses jetzt weglässt, sondern weil sie sich bewusster und intensiver mit Ernährung beschäftigt und auf die Vielfalt der Nahrungsmittel, die sie zu sich nimmt, setzt:
„Bei mir muss es ganz bunt sein am Teller.“
Lupinen als ausgeklügelte Eiweißquelle
Apropos Vielfalt – dieser ist auch geschuldet, dass Martina eine Zutat in ihren Gläsern bewusst weglässt: Soja. Die Kochmarie-Chefköchin ist überzeugt, dass wir viel zu viel Soja zu uns nehmen, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein. Immerhin ist sogar in einem Mon Chérie Sojalecithin zu finden. „Es ist nie gut, wenn man von einem Lebensmittel zu viel isst“, ist Martina überzeugt. Soja findet sie außerdem bedenklich, weil der Anbau häufig das Gegenteil von nachhaltig und regional darstellt, etwa wenn Urwälder dafür abgeholzt werden. Martinas Credo:
„Soja brauch ich nicht, wenn ich eine Top-Eiweißquelle hab, die noch besser ist und aus dem Mühlviertel kommt.“
Damit meint sie Süßlupinen. Die Samen dieser Pflanze mit den wunderschönen langstieligen Blüten sind eine äußerst hochwertige Eiweißquelle, die noch dazu um zwei Drittel weniger Fett beinhalten, als die gleiche Menge Soja. Der von Martina in vielen ihrer Gerichte verwendete Bio-Süßlupinenschrot wartet mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren und acht essenziellen Aminosäuren auf, ist glutenfrei und sehr gut verdaulich. In ihren Anfangszeiten musste Martina die Lupinensamen aus Deutschland beziehen. Mittlerweile konnte sie einen Mühlviertler Bauern davon überzeugen, exklusiv für sie Lupinen anzubauen. Seither kann sie ihren gesamten Bedarf regional abdecken.
Martina und die Süßlupine müssen auch aus einem anderen Grund in einem Atemzug genannt werden: Martina heißt mit vollem Namen Martina Klaudia Brigitte Wick. Auch die Süßlupine hatte im Laufe der Jahrhunderte viele Namen, bis heute ist sie aber ebenso unter ihrem zweiten Namen bekannt: Wick-Bohne. „Voi arg, oder?!“ lacht Martina ob des Zufalls.
„Ich bin mit meinem Mann schon so lange zusammen und wir haben erst vor 2,5 Jahren geheiratet. Und kurz vor der Hochzeit hab ich entdeckt, dass die Süßlupine Wick(bohne) heißt!”
Experimentieren ist die Essenz von Kochmarie
Martina ist Meisterin im kreativen Experimentieren und im Finden von (veganen) Alternativen bekannter Rezepte.
„Ich kaufe mir ein Kochbuch und NIEMALS halte ich mich an ein Rezept. Ich habe nie alle Zutaten zuhause. Es ist das Schrecklichste, nach Rezept zu kochen!“
Omas Bratlfett hat sie bis zur Perfektion nachgebaut. Veganes Bratlfett gab es zwar schon auf dem Markt, fiel aber geschmacklich durch: „Fett ist es schon, aber fad!“, so Martinas Urteil. Die Köchin tüftelte lange, gab noch eine und noch eine Zutat dazu, bis ihr veganes Bio-Bratlfett am Ende zehn Zutaten enthielt, während jenes vom Mitbewerb viel weniger Inhaltsstoffe aufwies.
Auch der Grünkernaufstrich verlangte Martina und ihrer Familie einiges ab. Letztere lebt nicht strikt vegan, kommt aber als Versuchskaninchen öfter zum Handkuss. Von Zeit zu Zeit gab es da schon leichtes Aufbegehren:
„Ma, wie oft müssen wir noch Grünkern essen?“
Aber irgendwann fanden die Experimente ein erfolgreiches Ende und die Kochmarie konnte den Aufstrich in ihr Sortiment aufnehmen. Martinas geschmackliche Ansprüche sind hoch:
„Wenn es mir nicht richtig gut schmeckt, geht’s nicht raus in die Produktion. Bei mir wird’s nie Sachen geben, die mir nicht schmecken!“
Deshalb wird es kein Fenchel jemals in ihre Gläser schaffen. Den mag sie nämlich gar nicht.
Martina legt aber nicht nur größten Wert auf den Geschmack ihrer Suppen, Saucen, Aufstriche und Kuchen:
„Bei meinen Gläsern ist auch die Optik wichtig, wenn’s farblich nicht passt, wird’s nicht verkauft.“
Kohlgemüse etwa wird bei gleichbleibend gutem Geschmack nach einiger Zeit grau im Glas. „Graues Essen halte ich am Teller nicht aus, deswegen gibt es jetzt keine Kohlprodukte mehr, bis ich eine bessere Lösung hab!“
Weiter experimentieren heißt es auch bei den Kartoffelknödeln: In einer langen Nacht produzierte sie Stück für Stück, um dann in den Tagen darauf ernüchtert festzustellen, dass sich ihr Geschmack durch das Pasteurisieren verändert hatte. „Sie schmeckten nach Kleister für den Hausverputz“. Aber Martina gibt nicht auf:
„Manchmal hab ich so glorreiche Ideen, da wache ich in der Früh auf und denk mir, das ist es!“
Der Kochmarie-Stil kommt an
„Bei mir gibt es kein Chichi!“, sagt Martina lachend.
Martina mag schlichte und einfache Rezepturen. Ihr geht es nicht darum, möglichst exotische und teure Zutaten zu verarbeiten. Stattdessen verkocht sie bestes regionales Gemüse. Und sie verarbeitet, was der Boden und die Bio-Landwirtschaft gerade hergeben. Wenn ein Anruf vom Bauern kommt, dass er 200kg gelbe Cocktailtomaten übrig hat und er Martina vor die Wahl des Einackerns oder einer Verarbeitung in Kochmarie-Produkten stellt, dann ist die Frage schnell beantwortet: „Ist die Soße halt gelblicher!“
Im Sommer verkochte Martina 900kg österreichische Tomaten für ihre Sugos. Damit muss sie bis nächstes Jahr auskommen. Denn Tomaten aus Ägypten oder Spanien kommen ihr nicht ins Glas. Zumal sie auch großen Wert darauf legt, dass ihre Gemüsebauern vegan produzieren, also keinen Tiermist austragen.
Auf die Kochmarie-Gläser stürzen sich auch überraschend viele Nicht-VeganerInnen: Menschen, die auf der Suche nach hochwertigem, gesundem UND schnellem Essen sind, die sich im Büro nicht von Snacks und Weckerl ernähren möchten.
Unter den KundInnen befinden sich auffallend viele Männer, die Lust auf Aufstriche mit Überraschungseffekt haben und frischgebackene Mütter, die zwar für ihre Babys frisch und hochwertig kochen und dann aber aus Zeitgründen selbst zu kurz kommen.
Ja und dann erwähnt Martina noch in einem Nebensatz, dass sie den international bekannten oberösterreichischen DJ und Producer Parov Stelar bei seinen Tourneen mit ihren Kochmarie-Gläsern und Weinmarie-Wein ausstattet. Irgendwann habe sie ein Zeitungsinterview gelesen, in dem sich Parov Stelar beklagte, dass er auf Tour gutes, oberösterreichisches Essen so sehr vermisse. Martina schrieb ihm, dass sie hier Abhilfe schaffen könne und so bekommt der Musiker jetzt spätnachts nach Konzertende noch hochwertiges Mühlviertler-Essen von der Kochmarie im Tourbus serviert.
„Ich koche wie irre ein und dann komm ich heim und dann koche ich zuhause noch für die Familie . Offensichtlich koche ich wirklich gerne, weil das wird mir nie zu blöd!“
Sagt sie und verabschiedet sich, weil Kinder und Schwiegermutter eintrudeln, um sich ihrer frisch zubereiteten Lasagne hinzugeben.